Schwacher IPO-Jahresauftakt 2023 in London

Londoner Aktienmärkte verzeichneten im 1. Quartal nur fünf IPOs - Analysten warnen vor "schwierigen" Zeiten

Als feststand, dass der Londoner IPO-Markt im Jahr 2022 um 90% sinken würde, schrieb CNBC von einer IPO-"Dürre" in London. Diese setzte sich nun auch im 1. Quartal 2023 fort.

Die nur fünf Börsengänge des ersten Quartals 2023 brachten magere GB£ 81 Mio. ein. Damit lagen die Erlöse aus Börsengängen im Vereinigten Königreich im ersten Quartal 2023 um 80 % niedriger als im Vergleichszeitraum 2022 als 19 Börsengänge 400 Mio. GBP einbrachten

Auf dem Hauptmarkt LSE fanden lediglich zwei IPOs mit einem Gesamterlös von GB£ 63 Mio. statt, nämlich jene von von Dar Global und Streaks Gaming. Dabei entfiel der Löwenanteil von GB£ 60 Mio. auf das Luxusimmobilienunternehmen Dar Global. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es noch 12 Börsengänge gewesen.

Der alternative Investmentmarkt (AIM) brachte es nach sieben Börsengängen im 1. Quartal 2022, nunmehr auf gerade einmal drei Börsengänge im Vergleichszeitraum. Auf den Gesamterlös von £ 19 Mio. entfiel mit £ 13 Mio. auch hier der größte Teil auf den IPO eines Unternehmens, des Investmentfonds Onward Opportunities.

Die Leistung der Londoner Börse im ersten Quartal 2023 ist ein deutlicher Rückgang gegenüber 2022, von den Rekordzahlen des 1. Quartals 2021 ganz zu schweigen als noch £ 5,7 Mrd. aufgenommen wurden.

IPO-Aktivität ging global zurück, während die Erlöse ebenfalls weltweit sanken

Sieht man sich die IPO-Aktivitäten im 1. Quartal 2023 weltweit an, stellt man fest, dass sie überall rückläufig waren. Weltweit gab es in diesem Zeitraum 299 Börsengänge, die insgesamt $ 21,5 Mrd. einbrachten. Dies bedeutete einen Rückgang bei der Zahl der Transaktionen im Vergleich zum 1. Quartal 2022 um 8%, während die Erlöse sogar um 61% zurückgingen.

Bei der Anzahl der weltweiten IPO-Geschäfte konnte sich der asiatisch-pazifische Raum mit einem Anteil von 59% im 1. Quartal 2023 noch am besten behaupten, allerdings verzeichnete man auch dort einen Rückgang der Erlöse gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 70 %.

Sieht man sich einzelne Sparten im Markt an, so fällt bei den Technologieunternehmen, die in den letzten Jahren eine Hauptstütze der IPO-Aktivitäten waren, auf, dass einige bemerkenswerte Rückgänge bei den Bewertungen verzeichneten. Dies wird auf die hohe Inflation und die Nachfrage der Anleger nach Rentabilität statt Wachstum zurückgeführt und wurde durch die jüngsten Marktturbulenzen an den globalen Banken- und Kryptomärkten noch verstärkt.

Während der Technologiesektor in Bezug auf das IPO-Volumen weiterhin führend war, kamen vier der zehn größten Börsengänge im ersten Quartal 2023 jedoch aus dem Energiesektor.

Die IPO-Aktivität von SPACs hingegen lag im 1. Quartal 2023 auf einem Sechsjahrestief. Da viele Promotoren von Anfang 2021 notierten SPACs ihre Transaktionen abschließen oder rückgängig machen müssen, gehen Experten in nächster Zeit von einer weiterhin gedämpften SPAC-IPO-Aktivität aus.

Ursachenforschung

Experten machen vorwiegend die makroökonomischen Rahmenbedingungen für den Rückgang der Zahl der Börsengänge verantwortlich.

Geopolitische Spannungen, der Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise, die Auswirkungen der Turbulenzen auf den globalen Bankenmärkten und der allgemeine Inflationsdruck hätten erheblich zu der schlechten Performance beigetragen.

Zudem sei der asiatisch-pazifische IPO-Markt, trotz der Aufhebung fast aller Pandemie-Kontrollmaßnahmen zu Beginn des Jahres, insbesondere auf dem chinesischen Festland gedämpfter gewesen als sonst, obwohl er immer noch über 40 % aller weltweiten IPO-Erlöse ausmacht.

Die Aussichten für den IPO-Markt

Die globalen Daten vervollständigen ein für die Stadt London bereits düsteres Bild. Nach Angaben von UHY Hacker Young war das Jahr 2022 bereits das schlechteste Jahr für neue Börsennotierungen seit einem Jahrzehnt mit nur 41 Unternehmen, die auf dem Hauptmarkt notiert wurden. Darüber hinaus haben sich 82 Unternehmen in diesem Zeitraum von der Börse zurückgezogen, darunter ARM und der Bauzulieferer CRH, die sich für eine Notierung auf anderen Märkten in der ganzen Welt entschieden haben.

IPO-Experten geben sich daher skeptisch bis zögerlich optimistisch, was die Entwicklung des IPO-Geschäfts betrifft - und zwar für das Vereinigte Königreich und die globale Entwicklung gleichermaßen.

So kommentierte z.B. Scott McCubbin, der das IPO-Team für UK&I bei Ernst & Young (EY) führt, gegenüber den Scottish Financial News: "2022 war ein sehr schwieriges Jahr für den britischen IPO-Markt. Das ungünstige makroökonomische und geopolitische Umfeld führte zu einer relativen Pause in der IPO-Aktivität gegen Ende des Jahres. Die Aussichten für 2023 bleiben ungewiss. Die Fortsetzung des Ende 2022 vorherrschenden Gegenwinds - einschließlich Inflationsdruck, steigende Zinsen, Probleme in der Lieferkette und schwächere Verbraucherausgaben aufgrund hoher Energiepreissteigerungen - wird wahrscheinlich zu einer gedämpften IPO-Aktivität zu Beginn des Jahres führen. Es besteht jedoch nach wie vor ein Nachholbedarf an Börsengängen, so dass wir in der zweiten Jahreshälfte einen Aufschwung auf dem Markt erleben könnten, wenn wir weitere geopolitische Schocks vermeiden."

Seine Kollegin bei Ernst&Young, Debbie O'Hanlon, ihres Zeichens UK&I Private Leader, sieht die Situation ähnlich kritisch, gibt sich am Ende ihres Kommentars aber geringfügig optimistischer: "Die globalen IPO-Märkte sind weiterhin mit erheblichem geopolitischem und makroökonomischem Gegenwind konfrontiert, und die Aktivität ist auf dem niedrigsten Stand seit vielen Jahren. Die Unternehmen werden sich noch etwas länger in einem Umfeld hoher Kosten und geringer Liquidität zurechtfinden müssen, und die Aussichten für das zweite Quartal 2023 werden voraussichtlich schwierig bleiben. Sobald es Anzeichen für einen stabileren Markt gibt, dürfte das Vertrauen der Anleger zurückkehren, und prominente Unternehmen, die ihre IPO-Pläne aufgeschoben hatten, könnten erneut an die Börse gehen, auch wenn sie dabei niedrigere Bewertungen akzeptieren müssen als in der Spitze des Jahres 2021."

Quo vadis, London?

In einem Bericht der City of London Corporation vom 30.03.2023 heißt es, dass London seine Position als unangefochtenes Finanzzentrum der Welt verloren habe und mehr getan werden müsse, um einheimische, wachstumsstarke Unternehmen zum Verbleib im Vereinigten Königreich zu bewegen.

Als Reaktion auf diesen Druck versuchen nun Regierung und Aufsichtsbehörden, den dümpelnden Londoner IPO-Markt anzukurbeln. So stellte die Financial Conduct Authority (FCA), eine unabhängige Finanzmarktaufsichtsbehörde in Großbritannien, am 05.04.2023 ihre Pläne vor, um "das Vereinigte Königreich in den nächsten 12 Monaten zu einem attraktiveren Standort für Unternehmen zu machen". Sie hofft, durch eine Reform des britischen Börsenzulassungssystems und eine Überarbeitung des Verbraucherschutzes "bessere Ergebnisse für Verbraucher und Märkte" zu erzielen.

 
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Erhöhung der Britischen Körperschaftsteuer ab April 2023